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Merz' Kehrtwende zu Israel
Beschränkung von Waffenlieferungen sorgt für Unmut in der Union

Die Bundesregierung schränkt die Rüstungsexporte nach Israel ein. Damit reagiert Kanzler Merz auf Pläne zur Eroberung der Stadt Gaza - und vollzieht einen Kurswechsel in der Israel-Politik. Die Reaktionen auf die Entscheidung sind geteilt.

    Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) steht an einem Rednerpult und spricht.
    Aus den eigenen Reihen erntet Merz für seinen Kurswechsel gegenüber Israel im Nahost-Konflikt neben positiven Reaktionen auch offene Kritik. (picture alliance / photothek.de / Amrei Schulz)
    Bundeskanzler Friedrich Merz‘ Kurswechsel in der Nahostpolitik sorgt für Diskussionen - vor allem innerhalb seiner eigenen Partei. Am Freitag, 8. August, hatte er verkündet, vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern mehr zu genehmigen, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. Die Entscheidung ist eine Reaktion auf die geplante Offensive der Regierung von Benjamin Netanjahu. Das israelische Sicherheitskabinett hatte beschlossen, dass die Armee die Stadt Gaza einnehmen solle.
    Israels Beschluss stieß auf zum Teil heftige Ablehnung - im eigenen Land, von Familien israelischer Geiseln, von der Opposition und ehemaligen Armee- und Geheimdienstchefs, ebenso wie international.
    In Berlin wird das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen seit Längerem kritisch gesehen. Bislang war es jedoch bei mahnenden Worten geblieben. Mit der Entscheidung zum teilweisen Waffenlieferstopp aus Deutschland ergreift die Bundesregierung erstmals Maßnahmen.

    Inhalt

    Merz' Beschluss zu Israel und seine Begründung

    In einer Mitteilung am 8. August erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), dass Israel das Recht habe, sich "gegen den Terror der Hamas zu verteidigen" und die Hamas in der Zukunft von Gaza "keine Rolle spielen" dürfe. Allerdings lasse das beschlossene härtere Vorgehen im Gazastreifen "immer weniger erkennen, wie diese Ziele erreicht werden sollen". Mit der geplanten Offensive trage die israelische Regierung noch stärker als bisher Verantwortung für die Versorgung der Zivilbevölkerung, sagte Merz. Sie müsse einen umfassenden Zugang für Hilfslieferungen ermöglichen.

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    „Wir können nicht Waffen liefern in einen Konflikt, der versucht wird, ausschließlich mit militärischen Mitteln jetzt gelöst zu werden", sagte Merz der ARD, "Der Hunderttausende von zivilen Opfern fordern könnte. Der eine Evakuierung der ganzen Stadt Gaza zur Voraussetzung hat. Wohin sollen diese Menschen gehen? Das können wir nicht, das tun wir und das werde ich auch nicht tun.“

    Lob für teilweisen Waffenlieferstopp aus der SPD

    Die Entscheidung des Kanzlers polarisiert. Während die einen den partiellen Waffenlieferstopp als Abkehr von der deutschen Staatsräson kritisieren, sehen andere darin einen längst überfälligen Schritt und ein wichtiges Signal.
    Beim Koalitionspartner SPD stößt die Einschränkung der Waffenlieferungen auf Zustimmung. Deren Parteichef, Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil erklärte, die Einschränkung der Waffenlieferungen sei richtig. Dem Staat Israel gelte die volle Solidarität, aber Falsches müsse benannt werden.
    Ähnlich argumentiert Siemtje Möller. Die SPD-Verteidigungspolitikerin sieht in der Entscheidung der Bundesregierung keinen Widerspruch zum Existenzrecht Israels als deutsche Staatsräson. Es gelte zu differenzieren, zwischen „der uneingeschränkten Solidarität mit dem Staat Israel als übergeordnete Entität und mit der Bevölkerung Israels“ und Kritik an der Regierung Netanjahus, wenn diese völkerrechtswidrig agiere oder „gegen die humanitäre Gebotenheit“ verstoße. Möller betonte, der Kampf gegen die Hamas müsse im Rahmen des Völkerrechts geschehen.
    Auch der israelische Historiker Moshe Zimmermann begrüßt den teilweisen Rüstungsexportstopp. Zwar werde die Entscheidung des Bundeskanzlers kaum eine Wirkung haben, da das israelische Militär vor allem von der eigenen Produktion und der Produktion der Amerikaner abhängig sei. „Trotzdem muss man hier ein Zeichen setzen. Die deutsche Regierung signalisiert etwas. Und das ist schon ein Wert an sich“, sagte der emeritierte Professor für Neuere Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

    Welche Waffen Deutschland an Israel liefert

    Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant für Israel. Zwischen 2019 und 2023 kamen 30 Prozent der israelischen Großwaffenimporte nach Angabe des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) aus Deutschland, hauptsächlich Fregatten, Torpedos und gepanzerte Fahrzeugmotoren. Deutschland lieferte Israel auch U-Boote der Dolphin-Klasse.
    In den meisten Fällen liefert Deutschland aber keine kompletten Waffensysteme, sondern Komponenten und Ersatzteile für Kampfpanzer oder Getriebe und Sensorik für Kampfpflugzeuge, sagt Militärexperte Max Mutschler vom Bonn International Centre for Conflict Studies. Diese Rüstungsgüter gelten nicht als Kriegswaffen und unterliegen daher nicht den strengen Exportregeln.
    Seit dem 7. Oktober 2023 hat Deutschland nach Angaben von SIPRI Exportgenehmigungen für Kriegswaffen in vier Fällen erteilt, unter anderem für 3.000 tragbare Panzerabwehrwaffen. Zwischen beiden Ländern besteht auch eine enge Rüstungskooperation, etwa bei U-Booten.

    Kritik aus Israel und aus der Union

    Israels Regierungschef Netanjahu warf der Bundesregierung vor, Deutschland belohne mit dem Waffenembargo den Terror der Hamas, statt Israel zu unterstützen. Kritik kommt auch von der deutsch-israelischen Gesellschaft und vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Dessen Präsident Josef Schuster erklärte in einem Statement, die Ankündigung laufe „allen Solidaritätsbekundungen und Versprechen zuwider“, die der Bundeskanzler seit seinem Amtsantritt vertreten habe.
    Auch aus den eigenen Reihen erntet Merz für seinen Kurswechsel gegenüber Israel im Nahost-Konflikt neben positiven Reaktionen offene Kritik. Während die einen – wie die Unionsaußenpolitiker Jürgen Hardt und Norbert Röttgen – die Ankündigung zum teilweisen Waffenlieferstopp als konsequente Reaktion einschätzen, halten andere ein Rüstungsembargo gegen Israel für falsch.
    Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter etwa sprach auf X von einem „schweren politischen und strategischen Fehler Deutschlands“. Die Glaubwürdigkeit der deutschen Staatsräson bemesse sich gerade an der Sicherheitskooperation und der Zusage, jüdisches Leben und den Staat Israel zu schützen. Auch aus der Jungen Union gibt es heftige Kritik. Die Entscheidung sei „ein Bruch mit den Grundsätzen der Unionspolitik“, so die Jugendvereinigung auf Instagram.

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    Laut Berichten von dpa und "Bild" war die CSU an Merz' Entscheidung nicht beteiligt. Der CSU-Außenpolitiker Stephan Mayer nannte den Waffen-Lieferstopp "emotional sehr gut nachvollziehbar", auch er sei der Überzeugung, dass die israelischen Streitkräfte überziehen und es sich um eine humanitäre Katastrophe handele. Mayer sagte aber, der Stopp werde nicht die Wirkung haben, die man sich davon verspreche. "Deutsche Waffen sind jetzt nicht kriegsentscheidend für die Kriegsführung von Israel im Gazastreifen." Man setze auch "bedenkliche" Signale nach Tel Aviv. Über die Erklärung des Bundeskanzlers, die Israelpolitik nicht grundlegend zu ändern, sei er allerdings erleichtert.

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