
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat den Wahlprüfungsausschuss des Bundestags nicht überzeugen können und ist mit dem Anliegen gescheitert, die Stimmen der Bundestagswahl vom Februar neu auszählen zu lassen. Die Mehrheit im Ausschuss hielt die Argumente des BSW für unbegründet. Das am 4. Dezember 2025 offiziell bekannt gegebene Votum war erwartet worden, die Beschlussempfehlung war bereits zuvor bekann geworden.
Nun wird sich der Bundestag mit der Sache befassen, doch ein abweichendes Meinungsbild dort wäre eine große Überraschung. So bleibt dem BSW nur noch der Gang nach Karlsruhe. Was spricht dafür, dass es eine Neuauszählung geben sollte – und was dagegen? Und sollte der Weg zu Neuauszählungen nach Wahlen erleichtert werden? Sicher ist: Würde das BSW nachträglich in den Bundestag kommen, hätte die rot-schwarze Koalition keine Mehrheit mehr.
Sehr knapp gescheitert: BSW bei der Bundestagswahl 2025
Das Bündnis Sahra Wagenknecht war bei der vorgezogenen Neuwahl des Bundestags im Februar 2025 so knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert wie noch keine Partei zuvor: Laut amtlichem Endergebnis erhielt es 4,981 Prozent der Zweitstimmen. Nach Angaben der Partei fehlten bundesweit 9.529 Stimmen, um in den Bundestag zu kommen.
Das will das BSW nicht akzeptieren, die Partei behauptet, dass es Fehler bei der Auszählung gegeben hat. Und begründete Zweifel müssten zu einer Neuauszählung führen, sagt der Staatsrechtler Christoph Degenhart, ehemals Richter am Sächsischen Verfassungsgerichtshof und Unterstützer des BSW-Anliegens. Das sei im Interesse des Vertrauens in die Demokratie. Wenn die Neuauszählung dann ergebe, dass das Ergebnis korrekt war, diene auch das dem Rechtsfrieden.
Es gebe aber durchaus Indizien dafür, dass falsch ausgezählt wurde, sagt Degenhart. So habe eine Splitterpartei ähnlichen Namens Stimmen erhalten, die eigentlich für das BSW abgegeben worden seien. Hier habe es Übermittlungsfehler gegeben. Zusätzlich seien Zähl- und Zuordnungsfehler vorgekommen. Diese Fehler seien alle korrigiert worden. Bei punktuellen Nachzählungen hätten sich deswegen bereits einige Tausend zusätzliche Stimmen für das BSW ergeben, so Degenhart. Ursprünglich hätten rund 14.000 Stimmen gefehlt. Jetzt seien es nur noch um die 9.500.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht wird bei der Forderung nach einer Neuauszählung des Bundestagswahlergebnisses nicht nur von Degenhart, sondern auch von anderen Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Medien und Politik mit einem Appell unterstützt. Ob die Partei vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg haben kann, ist aber fraglich: Karlsruhe hatte im März 2025 bereits mehrere Eilanträge des BSW und im Juni dann zwei Organklagen abgewiesen.
Pro und contra Neuauszählung
Eine Nachzählung sei „im Interesse des Vertrauens in die demokratische Ordnung“ und den Rechtsstaat, sagt der Staatsrechtler Christoph Degenhart. Auch die Politikwissenschaftler Eckhard Jesse und Uwe Wagschal fordern eine Neuauszählung der Bundestagswahl. In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ verwiesen sie darauf, dass das Verschwörungsmythen eindämmen würde.
Die Staatsrechtlerin Sophie Schönberger von der Freien Universität Berlin hat eine andere Perspektive. Die Partei müsse konkrete Anhaltspunkte für Wahlfehler benennen, ein allgemeiner Verdacht auf Unregelmäßigkeiten reiche nicht, meint sie.
Die Ergebnisse der punktuellen Nachzählungen sind für Schönberger nicht aussagekräftig. Denn Prüfungen seien dort erfolgt, „wo es konkrete Anhaltspunkte für Fehler gab“. Tatsächlich zufällige Stichproben würden wahrscheinlich zu ganz anderen Ergebnissen führen.
Bei einem „Massenverfahren wie der Bundestagswahl“ könne es im Einzelfall immer zu kleineren Fehlern kommen, erklärt Schönberger. „Doch wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass es großflächig Fehler gegeben hätte.“ Die Argumentation des BSW stelle den Wahlvorgang als solchen infrage, indem behauptet werde, es seien „systematisch Fehler zulasten des BSW begangen“ worden.
Auch der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages wollte den Argumenten des BSW nicht folgen. Der Vorsitzende Macit Karaahmetoğlu (SPD) sagte, der Ausschuss habe den Fall sehr genau geprüft. Doch habe sich der Sachvortrag des BSW in allen Teilen als unzutreffend herausgestellt.
Kritik am Verfahren bis zu einer Neuauszählung
Vom Bündnis Sahra Wagenknecht und seinen Unterstützern wird nicht nur die angeblich fehlerhafte Auszählung der Stimmen bei der Bundestagswahl, sondern auch das Verfahren kritisiert, dass zu einer Neuauszählung führen könnte.
Hier wird insbesondere der Wahlprüfungsausschuss ins Visier genommen, denn die Abgeordneten entschieden in einem solchen Fall „in eigener Sache“, betont der Staatsrechtler Degenhart. Das Motiv für einen Beschluss könnte schlicht sein, die Konkurrenz draußen zu halten. Auch der Verfassungsrechtler Ulrich Battis bemängelt, dass direkt Betroffene entscheiden: „Es wäre sicher sinnvoll, das zu ändern.“
Das BSW selbst teilte mit, es sei „keine Überraschung, dass der Wahlprüfungsausschuss eine Neuauszählung ablehnt“. In einer Stellungnahme heißt es: „Es ist naheliegend, dass dabei machtpolitische Gründe eine Rolle spielen. Die Angst, dass sonst das BSW zu Recht im Bundestag wäre und die Regierung Merz ihre Mehrheit verlieren würde, ist offenbar zu groß. Immerhin ist so der Weg nach Karlsruhe frei.“
Umstrukturierung beim BSW: Neuer Name und neue Führung
Anfang Dezember hat sich das BSW auf einem Parteitag neu aufgestellt. Die Führung der Partei werden zukünftig Fabio De Masi und Amira Mohamed Ali übernehmen. De Masi ist Europaabgeordneter, Mohamed Ali war schon bisher Co-Vorsitzende neben Sahra Wagenknecht. Beide sind 45 Jahre alt, beide waren vor Gründung des BSW lange in der Linken aktiv.
Die neue Doppelspitze hatte Sahra Wagenknecht selbst vorgeschlagen. Wagenknecht wird zukünftig die neu gegründete Grundwertekommission der Partei leiten. Im Fall, dass das BSW durch die angestrebte Neuauszählung der Stimmen der vergangenen Bundestagswahl doch noch in das Parlament einziehen sollte, will Wagenknecht Fraktionschefin werden.
Die Partei hat sich zudem auf einen neuen Namen geeinigt: „Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“, das Kürzel BSW soll erhalten bleiben. Die Namensänderung soll erst zum 1. Oktober 2026 greifen. Begründet wird dies mit den anstehenden Wahlkämpfen im nächsten Jahr.
Der Name hatte intern für Kontroversen gesorgt. Der Landesverband in Rheinland-Pfalz etwa hält den Namen für nicht griffig genug. Zwei andere Namensvarianten ("Bürger schaffen Wandel“ sowie „Bündnis Sozialer Weg") fanden auf dem Parteitag aber keine Mehrheit.
In Umfragen liegt das BSW derzeit bundesweit bei 3 bis 4 Prozent.
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